Exklusiv: Sanktionierte russische Organisation weiter in der EU aktiv #11
Die EU sanktionierte die „Volunteers of Victory“ wegen militärischer Umerziehung ukrainischer Kinder. Trotzdem ist die Gruppe in Deutschland und anderen europäischen Ländern weiter aktiv.
Liebe Leserinnen und Leser,
im politischen Berlin gibt es gerade kaum ein anderes Thema als die Besetzungen wichtiger Posten in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung. Auch ich habe natürlich dazu eine Meinung, aber um die wohl sortiert aufzuschreiben zu diesem Desaster, brauche ich etwas Zeit am Wochenende. Dann gibt es mal einen Sondernewsletter mit meiner Einschätzung.
Obwohl es in diesem Newsletter dieses Mal eher unpolitisch zugeht, habe ich zwei spannende Recherchen für euch. Die größere gleich am Anfang. Es geht um das Russische Haus in Berlin. Dort gab es am 9. Mai eine Party, über die ich bereits mit exklusiven Fotos berichtete. Nun habe ich ein interessantes Detail entdeckt, einen möglichen Sanktionsverstoß.
Inhalte
🇪🇺Trotz Sanktionen: „Volunteers of Victory“ weiter in der EU aktiv
⛴️Drohnen über der Nordsee – Bundespolizei im Visier russischer Späher?
❌Ex-Zivildienstleistende melden sich freiwillig zur Bundeswehr – aus Sorge um die Demokratie
📺Sehtipp: Deshalb hat die Bundeswehr Personalprobleme
🏚️Neue Entwicklung bei den “Russenhäusern” in Berlin-Karlshorst
👮♂️Exklusiv: Polizei rückt bei Putin-Unterstützer in Dresden an
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Trotz Sanktionen: „Volunteers of Victory“ weiter in der EU aktiv
Auf einer Demonstration in Amsterdam wird am 9. Mai 2025 in der ersten Reihe die Fahne geschwenkt, auf dem Programm für die Feier im Russischen Haus (ich berichtete) in Berlin stehen sie als Co-Veranstalter und im berüchtigten Haus in der Friedrichstraße selbst hängt ein Plakat der „Volunteers of Victory“ an der Wand.
Die selbsternannten „Freiwilligen für den Sieg” sind jedoch eigentlich von der EU sanktioniert. Der Vorwurf der Europäischen Union: Die Organisation ist mitverantwortlich für die „militärische Umerziehung ukrainischer Kinder”. Deshalb stehen sie seit Dezember 2023 auf der EU-Sanktionsliste. Ganz konkret heißt das Einreisesperren in die Europäische Union für Führungsfiguren der Organisation, Gelder und wirtschaftliche Ressourcen dürfen sanktionierten Organisationen nicht „direkt oder indirekt“ zur Verfügung gestellt werden und es gilt ein Verbot der Bereitstellung von wirtschaftlichen Ressourcen – auch in Form von Dienstleistungen oder Infrastruktur.

Und hier könnte dem Russischen Haus juristischer Ärger drohen, wenn die deutschen Behörden wollen. Denn der letzte Punkt kann sehr weit gefasst werden. Selbst wenn keine Gelder fließen, aber die Organisation durch eine gemeinsame Veranstaltung öffentliches Ansehen gewinnt oder ihre Tätigkeit sichtbar gefördert wird, kann dies als indirekte wirtschaftliche Ressource gewertet werden.

Europaweit sind Aktivistinnen und Aktivisten der russischen Organisation weiterhin aktiv. In den Niederlanden wehte ihre Flagge in der ersten Reihe auf einer Demonstration am 3. Mai in Amsterdam. Auch in Italien ist auf Veranstaltungen das Logo mit der Taube auf blauem Hintergrund zu sehen. In weiteren EU-Ländern gibt es Aktivitäten auf Social Media.
Die beiden Wissenschaftlerinnen Allyson Edwards und Jennifer G. Mathers haben die Organisation in Russland analysiert und ihre Ergebnisse in der renommierten Zeitschrift “International Affairs” veröffentlicht. Die „Victory Volunteers“ sind laut den Autorinnen kein bloßes zivilgesellschaftliches Projekt, sondern ein strategisch eingesetztes Vehikel für die Normalisierung von Militarismus und Loyalität gegenüber dem Staat. Das Programm stelle laut Edwards und Mathers ein Schlüsselelement in Putins größerer Vision dar, eine patriotisch-militarisierte Jugend heranzuziehen.
Spionage
Drohnen über der Nordsee – Bundespolizei im Visier russischer Späher?
In der Nacht zum 17. Mai wurde ein Patrouillenschiff der Bundespolizei offenbar Ziel eines geheimnisvollen Drohneneinsatzes über der Nordsee. Wie aus einem internen Lagebericht hervorgeht, der dem SPIEGEL vorliegt, begleiteten sieben Drohnen fast drei Stunden lang das Einsatzschiff BP 81 Potsdam und einen russischen Frachter nördlich der Insel Borkum. Ziel: mutmaßlich Aufklärung.
Der Frachter war auf dem Weg nach Belgien. In Absprache mit den dortigen Behörden wurde das Schiff im Zielhafen kontrolliert – jedoch ohne Ergebnis. Weder an Bord noch bei der russischen Crew fanden sich Hinweise auf Drohnentechnik.
Der Vorfall reiht sich ein in eine Serie verdächtiger Drohnenaktivitäten über kritischer Infrastruktur in Deutschland. Zwischen Ende Februar und Anfang März sollen nahezu täglich unbemannte Flugobjekte über Marinebasen, Häfen und Chemieanlagen in Nord- und Ostdeutschland gesichtet worden sein – teils mit einer Flügelspannweite von bis zu fünf Metern. Auch die US-Luftwaffenbasis Ramstein war erneut Ziel solcher Überflüge.
Der Staat reagiert – langsam. Zwar wird laut Regierungskreisen an neuer Abwehrtechnik gearbeitet, doch hohe Kosten und lange Lieferzeiten erschweren die Umsetzung. Die Realität bleibt: Meist bleiben Spionagedrohnen unerkannt – und ihre Piloten verschwinden im Dunkel.
Verteidigung
Ex-Zivildienstleistende melden sich freiwillig zur Bundeswehr – aus Sorge um die Demokratie
Angesichts geopolitischer Spannungen und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erleben frühere Kriegsdienstverweigerer einen Sinneswandel, berichtet n-tv. Immer mehr melden sich freiwillig zur Bundeswehr – trotz ihres fortgeschrittenen Alters. Allein seit 2022 ist die Zahl der Rücknahmen von Verweigerungserklärungen deutlich gestiegen: von 487 im ersten Kriegsjahr auf 536 im Folgejahr. 2024 zeichnet sich ein neuer Höchststand ab – mit bereits 311 Widerrufen bis Ende April, was hochgerechnet über 900 Fälle bedeutet.
Beweggründe wie bei Thomas Hüser (54), einst "Zivi" in der Altenpflege, sind keine Militärromantik, sondern ein neues Verständnis von Verantwortung. Auch Henner Pasch, IT-Unternehmer und IHK-Präsident, hat sich gemeldet – er will im Ernstfall mit Organisationstalent helfen. „Ich kann mit meiner Führungserfahrung und meinen 11.000 Kontakten im Handy helfen, den Heimatschutz im Bergischen zu organisieren“, sagt er. Beide betonen: Es geht nicht ums Kämpfen, sondern um den Schutz einer bedrohten Demokratie.
Sehtipp: Deshalb will niemand zur Bundeswehr
Der Bundeswehr geht's mies: Die Kasernen sind teilweise marode, es fehlt an Material und vor allem an Soldatinnen und Soldaten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fordert deshalb einen neuen Wehrdienst - erstmal freiwillig, aber mit Nachdruck. Ziel: eine einsatzbereite Truppe, die für den Ernstfall gewappnet ist. Aber lässt sich das so einfach – und vor allem schnell – umsetzen? Und was steckt dahinter?
Meine Kollegen von DIE DA OBEN, die ich seit einigen Jahren bei funk als abnehmender Redakteur betreue, haben sich die Probleme der Bundeswehr mal genauer angesehen und auch mit Bundeswehr-Hauptmann und Content-Creator David Matei gesprochen. Schaut mal rein.
Verschiedenes
Neue Entwicklung bei den “Russenhäusern” in Berlin-Karlshorst
Drei seit Jahrzehnten leerstehende Wohnhäuser im Berliner Ortsteil Karlshorst, im Besitz der Russischen Föderation, sorgen für zunehmenden politischen Druck, berichtet der Tagesspiegel. Besonders im Fokus steht ein denkmalgeschütztes Gebäude an der Ecke Andernacher Straße/Königswinter Straße. Nach einer Tagesspiegel-Recherche hat die Denkmalschutzbehörde Lichtenberg einen Zustandsbericht erstellt, der aktuell im Bezirksamt diskutiert wird. Sollte der Denkmalschutz gefährdet sein, wäre eine Enteignung des betroffenen Hauses rechtlich denkbar.
Lange galt die Annahme, es handle sich um diplomatische Liegenschaften – doch das Auswärtige Amt stellte klar: Die „Russenhäuser“ genießen keinen besonderen Schutzstatus. Damit greifen für die russische Eigentümerin die gleichen Regeln wie für alle anderen Immobilienbesitzer. Bezirksstadträtin Catrin Gocksch (CDU) kündigte an, nun alle rechtlichen Möglichkeiten gegen den jahrzehntelangen Leerstand prüfen zu lassen, darunter das Zweckentfremdungsverbot. Eine bauaufsichtliche Einschätzung steht noch aus – doch der Druck auf das Bezirksamt wie auf die russische Seite wächst.
Hier hatte ich bereits ausführlich über russische Immobilien in Deutschland berichtet:
Exklusiv: Polizei rückt bei Putin-Unterstützer in Dresden an
Eigentlich wollte Lothar H. im Frühjahr auf die Krim, doch aus der Reise wurde offenbar nichts. Seine geplante Konferenz, wo es um das Thema Frieden gehen sollte, war wohl nicht gewünscht von russischer Seite. Nun kommt es für den Rentner richtig dicke: laut Unterstützern rückte vergangene Woche der “Staatsschutz” an und beschlagnahmte alle Kommunikationsgeräte bis auf sein Handy, heißt es in einem Post auf Facebook. Der Dresdner ist als überzeugter Kommunist in der Szene bekannt, traf sich jedoch auch mit Leuten aus der Verschwörungsszene und u.a. Ulrich Oehme von der AfD. Der Ex-Bundestagsabgeordnete ist für seine Unterstützung von Russland bekannt.

Ob der Besuch der Polizei in Verbindung mit seiner Hilfe an pro-russische Kämpfer im Donbas 2015 oder seinen anderweitigen pro-russischen (Online-)Aktivitäten steht, ist unklar. Auch ein Zusammenhang mit den Durchsuchung bei Unterstützern der Organisation “Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe” wäre möglich. Diese bekam ebenfalls vergangene Woche Besuch von der Polizei. Dort geht es um den Vorwurf des Sammelns von Geldern und das Organisieren von Gütertransporten in die besetzten Regionen Luhansk und Donezk. Seit April 2024 stuft Deutschland die selbsternannten Volksrepubliken als Terrororganisationen ein. Auf Nachfrage im Fall Lothar H. wollte sich die Staatsanwaltschaft Dresden nicht äußern.
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